#unteilbar, 26.03.2020
english version: Leavenoonebehind! Evacuate greek camps now!
In den europäischen Hotspots auf den griechischen Inseln ist die Lage schon lange angespannt. In Anbetracht der globalen Covid-19-Pandemie, der europäischen Austeritätspolitik und des maroden Gesundheitssystems in Griechenland bahnt sich zusammen mit den ersten bestätigten Covid-19-Infektionen auf der Insel Lesbos eine humanitäre Katastrophe in den Lagern auf den ägäischen Inseln an [1]. Die dort lebenden Menschen haben keine Möglichkeit, die Schutzvorgaben der WHO umzusetzen. In den völlig überfüllten Lagern gibt es kaum sauberes Wasser zum Händewaschen, sogenanntes social distancing lässt sich nicht umsetzen, Quarantäne-Maßnahmen sind nicht anwendbar, Krankenstationen überfüllt und Tests auf das Coronavirus nicht vorhanden. Lager wie in Moria drohen für viele tausende Schutzsuchende daher zur Todesfalle zu werden, deshalb müssen die Menschen sofort aus den Lagern evakuiert werden!
Die Situation an den europäischen Außengrenzen hatte sich in den vergangenen Wochen weiter zugespitzt und verlangt nach umgehenden Maßnahmen. Schutzsuchende Menschen leben in den europäischen Hotspots, wie etwa den Lagern auf den ägäischen Inseln Chios, Kos, Leros, Lesbos oder Samos in katastrophalen Zuständen. Die Lager, vor allem das Lager Moria auf Lesbos, sind heillos überfüllt. Das Lager in Moria, welches für 3.000 Menschen eingerichtet wurde, fasst momentan rund 20.000 Menschen. Gleichzeitig setzt die griechische Regierung das Recht auf Asyl aus, verstößt gegen das Non-Refoulement-Verbot [2], schiebt Schutzsuchende ohne Registrierung und Asylantragstellung in die Türkei zurück, inhaftiert Schutzsuchende in geheimen, illegalen Haftanstalten [3] und geht mit militärischen Einsatzkräften gegen Flüchtende im griechisch-türkischen Grenzgebiet am Evros vor. Dem bisherigen Erkenntnisstand zufolge sind dabei bereits mindestens zwei Menschen, Muhammad al-Arab und Muhammad Gulzar, ums Leben gekommen [4]. Im ägäischen Meer werden Menschen, die Schutz suchen, zum Teil aggressiv von der griechischen Küstenwache attackiert, Bootsmotoren zerstört und Schlauchboote aufgestochen. Was wir momentan erleben, widerspricht allen Regeln und Vorgaben der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und den universellen Menschenrechten.
„Die europäische Glaubwürdigkeit wird schwerstens beschädigt. Das moralische Fundament des kontinentalen Rechtsstaats, so wie er von den Gründervätern 1957 in den EU-Verträgen anvisiert worden ist, dieser europäische kontinentale Rechtsstaat begeht Selbstmord. Dies ist ein absolut entscheidender tragischer Moment in der Geschichte Europas.“ (Jean Ziegler: „Europa begeht Selbstmord“)
Darüber hinaus werden internationale Organisationen, Unterstützer*innen und Journalist*innen von Faschist*innen angegriffen, eingeschüchtert und zur Einstellung ihrer Arbeit gezwungen. Auf das Lager in Moria wurden Brandanschläge verübt und schutzsuchende Menschen beim Ankommen auf Lesbos angefeindet und zur Umkehr aufgefordert.
Wenn das Recht auf Asyl ausgesetzt wird, mit Blendgranaten, Gummigeschossen und z.T. sogar mit scharfer Munition auf schutzsuchende Menschen geschossen wird, diese illegal inhaftiert, in illegalen Schnellverfahren verurteilt oder illegal zurückgeschoben werden, dann sind universelle Menschenrechte außer Kraft. Wissentlich werden vom Friedensnobelpreisträger EU die Grund- und Menschenrechte ignoriert. Den Flüchtenden werden grundlegende Rechte aberkannt, Möglichkeiten sich juristisch zu verteidigen genommen.
Bei den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie und der humanitären Situation in den griechischen Lagern werden mit aller Härte soziale Unterschiede deutlich: Denn wer hat das Privileg, hygienische Standards einzuhalten? Wer hat Zugang zu adäquater Gesundheits- und Notfallversorgung? Wer kann Abstand zu anderen halten oder sich in Quarantäne begeben?
Es sind eben nicht die schutzsuchenden, illegalisierten und papierlosen Menschen in Sammelunterkünften, sondern nur diejenigen Bürger*innen, die sich auf den Schutz eines Rechtsstaats beziehen können. Diese Trennung von Menschen- und Bürger*innenrechten muss unter allen Umständen aufgehoben werden. In offenen und demokratischen Gesellschaften darf es eine solche Unterscheidung nicht geben. Die EU, ein Verbund europäischer Rechtsstaaten, muss den Schutz aller in ihr lebenden Menschen garantieren. Um die drohende Katastrophe zu verhindern, müssen die Lager sofort evakuiert werden.
#LeaveNoOneBehind – Niemanden zurücklassen – lautet das Gebot der Stunde und es muss schnellstmöglich gehandelt werden!
Eine Sammlung an Aktionsideen findet ihr bei Seebrücke:
Petitionen
- „#LeaveNoOneBehind: Jetzt die Corona-Katastrophe verhindern – auch an den Außengrenzen!“
- „Schutzsuchende in Griechenland und an der Grenze: Sofort aufnehmen und Leben retten!“
- „Jetzt Menschen aus den Lagern in Griechenland evakuieren!“ – Online-Petition von Amnesty International an Bundeskanzlerin Merkel
- „Europe Must Act Now for the Immediate Decongestion of the Aegean Islands“
Weiteres