IPPNW
#unteilbar: Für eine menschenwürdige Welt
„Die Vorstellung, man könne Menschenrechte selektiv anwenden und in einem Staat Menschen unterschiedlicher Herkunft mit zweierlei Maßstäben behandeln, ist eine der wesentlichen Ursachen von Ausgrenzung, Diskriminierung und struktureller Gewalt.“ Wir porträtieren jene Organisationen, Bündnisse und Aktivist*innen, die im Oktober 2018 Teil der großen #unteilbar-Demo waren und deren Reden in der Anthologie #unteilbar – Für eine offene und solidarische Gesellschaft veröffentlicht wurden. Diesmal im Gespräch: IPPNW, ein Verein aus Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Studierenden mit dem Anliegen, Atomwaffen und Atomenergie abzuschaffen.
Wer seid ihr? Wie lange gibt es euch schon und worum geht es beim IPPNW?
IPPNW steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Wir sind eine ärztliche Friedensorganisation, die ihren Ursprung in der Zeit des Kalten Krieges der 1980er Jahre hat, wo Ärzt*innen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhanges beschlossen haben, politisch aktiv zu werden, um einen Atomschlag präventiv zu verhindern. Medizinisch hätten sie nach Abwurf einer Atombombe keine Chance gehabt, ihren Patient*innen zu helfen. Daraus entstanden ist ein sehr aktiver Verein, der sich für eine friedliche, atomtechnologiefreie und menschenwürdige Welt einsetzt. Unsere Initiative ist weltweit vernetzt mit Sektionen in nahezu 70 Ländern. Hier in Deutschland sind wir als Studierendengruppen, Regionalgruppen und in unterschiedlichen Arbeitskreisen aktiv. Wir richten uns mit unserer politischen Arbeit an die breite Öffentlichkeit, die Aktiven sind überwiegend Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Studierende.
Was konnte dank eurer Arbeit angestoßen, verändert oder verbessert werden?
1985 hat die internationale IPPNW den Friedensnobelpreis erhalten, 2017 indirekt noch einmal als eine der Gründungsorganisationen der Initiative ICAN – International Campaign to Abolish Nuclear Weapons.
In Deutschland veranstalteten Ärzt*innen 1996 den großen Kongress „Medizin und Gewissen. 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess.“ 2003 haben wir die Großdemos gegen den Irakkrieg mitorganisiert und um die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima zahlreiche Publikationen und Studien zu den Folgen veröffentlicht.
Welche Themen und Ziele stehen aktuell im Vordergrund eurer Arbeit?
Aktuell haben wir einen Report zum Thema militärischer Einsatz von Drohnen und ein Diskussionspapier zum Syrienkrieg publiziert. Wir kämpfen national sowie international für einen Atomwaffenverbotsvertrag und setzen uns in aktuellen Debatten für Abrüstungs- und Entspannungspolitik ein. In einem Menschenrechtstribunal wollen wir 2020 Verletzungen gegen das Recht auf Gesundheit politisieren und in die Öffentlichkeit bringen.
Hat sich eure Arbeit in den letzten Jahren aufgrund der politischen Situation in Deutschland und Europa verändert?
In den letzten Jahren stellten wir zunehmend fest, dass immer mehr Krisen auf uns einprasseln. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, in einer Gesellschaft die durch einen Rechtsruck, Hass im Netz und zunehmende Shrinking Spaces für die Zivilgesellschaft geprägt wird, Zeit für Fakten und Aktionen zu finden, um drängende Probleme wie die Klimakrise zu thematisieren und letztendlich zu lösen.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft – sowohl politisch als auch in Bezug auf die eigene Arbeit?
Wir wünschen uns eine friedliche, atomtechnologiefreie und menschenwürdige Welt. Für die einzelnen IPPNWler*innen bedeutet dies, dass wir unsere Patient*innen so behandeln können, wie wir es für richtig halten, unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus. Friedenspolitisch wünschen wir uns die sofortige Abkehr von der mantra-artig wiederholten Sicherheitsdebatte und die globale Ausrichtung zu einer Friedenslogik und dem Anstreben ziviler Konfliktlösungen und aktiver Entspannungspolitik.
Was bedeutet „unteilbar“ für euch? Was versteht ihr unter einem solidarischen Miteinander?
Die Vorstellung, man könne Menschenrechte selektiv anwenden und in einem Staat Menschen unterschiedlicher Herkunft mit zweierlei Maßstäben behandeln, ist eine der wesentlichen Ursachen von Ausgrenzung, Diskriminierung und struktureller Gewalt. Man kann nicht behaupten, eine große Zivilisation zu sein und Menschen sehenden Auges ertrinken lassen. Man kann sich nicht Demokratie nennen und einen Teil der Bevölkerung systematisch von der politischen Teilhabe ausschließen. Weltweit setzen mutige Menschen ein Zeichen für Menschenrechte, Toleranz und Frieden. Es gilt, diesen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen – sie erinnern uns daran, wohin uns Ausgrenzung, Populismus und die rücksichtslose Durchsetzung nationaler Interesse in der Vergangenheit geführt haben.
Was können wir alle tun, um uns gegenseitig zu unterstützen und Haltung zu zeigen?
Wir in der Friedensbewegung müssen wachsam sein, diese gesellschaftlichen Prozesse genau beobachten, ihre Ursachen analysieren und ihnen entgegenzuwirken, denn sie bedrohen unseren gesellschaftlichen Frieden. Carl Friedrich von Weizsäcker sagte 1967: „Friedfertig ist, wer Frieden um sich entstehen lassen kann … Friedlosigkeit ist eine seelische Krankheit.“ Und Horst-Eberhard Richter, der bedeutende Psychoanalytiker und Mitbegründer unserer deutschen IPPNW, führte weiter aus: „Der gestiftete Unfrieden wird als Projektion von Selbsthass interpretiert. Es ist innere Unversöhnlichkeit, die sich zur Entlastung den äußeren Feind sucht, der bekämpft werden muss.“ Eine treffende Beschreibung des Antagonismus während des Kalten Kriegs, letztlich aber auch der antimuslimischen Reflexe in der heutigen Gesellschaft.
Wir dürfen nicht zulassen, dass auf dem Rücken gesellschaftlicher Minderheiten populistische Politik betrieben wird und sozial Benachteiligte und Geflüchtete gegen einander ausgespielt werden. Wir streben eine friedfertige und Frieden schaffende Gesellschaft an und dazu gehört, Stellung zu beziehen und die Probleme anzugehen.
Wie findet man bei all den verschiedenen politisch-gesellschaftlichen Themen heutzutage den Bereich oder die Organisation, in dem/ der man sich engagieren kann? Wie kann man wirklich etwas bewirken?
Als Verein stellen wir fest, dass viele Engagierte sich heute nicht wie früher „ein Leben lang“ an eine Organisation oder einen Verein binden. Wir freuen uns umso mehr über jedes Mitglied, schauen aber auch, dass wir für jedes Projekt die entsprechenden Partner*innen und Gleichgesinnten finden, um dann gemeinsam im Rahmen einer Kampagne unsere Ziele zu erreichen. Ohne Frage braucht es Expert*innen, die ihr Wissen weitergeben, Hintergründe recherchieren und Prozesse auch längere Zeit beobachten. Um etwas bewirken zu können, benötigt man ein klares Ziel vor Augen und die eigene Motivation, dies zu erreichen. Unterstützer*innen findet mensch bestimmt!
Wie kann man sich euch anschließen und selbst aktiv werden?
Ihr könnt bei uns Mitglieder oder Fördermitglieder werden, Euch in eurer Stadt oder eurem Umfeld Aktivist*innen der IPPNW anschließen, einem unserer Arbeitskreise beitreten, bei ICAN umschauen oder bei einem speziellen thematischen Interesse Unterstützung und Material für eigene politische Arbeit von uns bekommen.
Links:
https://www.ippnw.de/der-verein.html
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https://twitter.com/IPPNWgermany
Dieser Blog-Artikel ist zuerst beim Blog Resonanzboden erschienen.
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